Leseprobe:
Noch einmal lässt der Wind sein Orchester in voller
Lautstärke ertönen. Dann pustet er einmal, zweimal,
dreimal aus voller Kehle, dass Paul glaubt
davonzufliegen. Stattdessen schiebt sich das fahle
Grau des Himmels beiseite und befreit die
Abendsonne aus ihrem Versteck.
Verschlafen blinzelt die Sonne einmal, zweimal,
dreimal, bevor sie ihre müden Augen auf Paul richtet.
„Junger Mann,
ich muss doch sehr bitten,
so spät gestört zu werden,
das sind ganz schlechte Sitten!“
Beschämt schaut Paul in das verschlafene Gesicht
und stammelt: „Es ist doch nur, weil der Wind mir
etwas ganz Wunderbares zeigen wollte.
Entschuldige bitte!“.
Die Sonne runzelt die Stirn und zwinkert Paul mit
ihren nun hellwachen Augen zu:
„Der Wind sprach sicher ganz aufgeregt,
dass er es ist, der die Dinge bewegt.
Ich aber bin es, die bestimmt,
wie sich der Wind heut‘ so benimmt.
Wie mir’s gefällt, so leg ich’s fest!
Weht der Wind von Nord, Ost, Süd oder West?
Werden die Wolken zum Horizont schleichen
oder in Windeseile ihr Ziel erreichen?
Schade nur, dass mir die Augen fast zugehen.
Etwas Schöneres als bei mir bekommst du nirgends zu sehen!"
Pauls Augen werden so groß wie all unsere
Wünsche. Behutsam appelliert er an das
mürrische Gesicht, das sich immer noch in
watteweiche Wolkenkissen bettet.
"Liebe Sonne, wenn du mir sagst, was du mit dem
Schönen zu tun hast, will ich dich gewiss nicht
weiter stören. Ich weiß doch, wie müde du sein
musst, wenn du den ganzen langen Tag strahlst."
Als das brummige Gesicht unbeeindruckt vor sich
hin stiert, kommt Paul eine Idee.
"Sieh nur! Wenn das Schönste wirklich dein Werk
ist, dann ist es doch bitterschade, wenn keiner
davon weiß.", zwinkert Paul verschmitzt.
Als die Sonne nachdenklich die Stirn runzelt,
fährt Paul ermunternd fort:
"Zeigst du mir etwas ganz Besonderes, dann
werde ich es malen. Jeder, der das Bild sieht, wird
fragen, wer etwas so Großartiges erschaffen hat.
Und ich werde stets antworten: 'Das ist allein das
Werk der Sonne!'".
Die Sonne ist recht erstaunt über einen so klugen
Vorschlag eines so kleinen Jungen.
Das Angebot gefällt ihr gut, denn wer verwehrt sich
schon freiwillig Lob und Ruhm?
"Also gut", spricht sie zufrieden, "ich will dir das
schönste aller schönen Dinge zeigen!"
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